altsprachlicher Unterricht

altsprachlicher Unterricht
altsprachlicher Unterricht,
 
der Unterricht in der lateinischen und griechischen, auch der hebräischen Sprache. In der Bundesrepublik Deutschland war der altsprachliche Unterricht bis zur Reform der gymnasialen Oberstufe 1972 v. a. Kernbestand des altsprachlichen (humanistischen) Gymnasiums. Mit diesem hat der altsprachliche Unterricht in einem längeren Entwicklungsprozess stark an Bedeutung eingebüßt und ist hinter den neusprachlichen Unterricht (v. a. Englisch, Französisch, auch Russisch) zurückgetreten. Jedoch werden Latein an den Gymnasien als erste, zweite oder dritte (ab 5. Klasse), Griechisch als zweite oder dritte Fremdsprache (ab 9. Klasse) nach wie vor angeboten und sind in den Klassen 11-13 als Grund- oder Leistungskurs wählbar. Die erfolgreiche Teilnahme am Lateinunterricht führt je nach Dauer zum Kleinen oder Großen Latinum, beim Griechischunterricht zum Graecum. Hebräisch wird im Rahmen von fakultativen Arbeitsgemeinschaften gelehrt und in einigen Bundesländern in der Sekundarstufe I als Grundkursfach angeboten.
 
In Österreich wird Latein im Gymnasium vom 7. bis 12. Schuljahr (3.-8. Klasse), im naturwissenschaftlichen Realgymnasium vom 9. bis 12. Schuljahr (5.-8. Klasse) unterrichtet. In anderen realgymnasialen Schulformen besteht Wahlmöglichkeit für Latein ab dem 9. oder 10. Schuljahr. Griechisch wird im humanistischen Gymnasium vom 9. bis 12. Schuljahr als dritte Fremdsprache gelehrt. - In der Schweiz ist der altsprachliche Unterricht typenspezifisches Fach im Gymnasium A (Griechisch/Latein) und B (Latein), Frei- oder Wahlfach in anderen Gymnasialtypen. Beginn und Dauer ist nach Kantonen unterschiedlich geregelt.
 
Zu den Inhalten des altsprachlichen Unterrichts gehören das Erlernen der Sprache sowie v. a. die Lektüre von Caesar, Livius, Sallust, Tacitus, Cicero, Catull, Ovid, Vergil, Horaz im Lateinischen und von Xenophon, Platon, Homer, Thukydides, Herodot, der Lyriker und Tragiker im Griechischen, auch der Schriften des Urchristentums (Neues Testament) und des lateinischen Mittelalters (griechische Sprache, lateinische Sprache). Ziel des altsprachlichen Unterrichts ist es, die überlieferten kulturellen Werte und die Gedankenwelt der Antike in direktem Zugang zu den Quellen zu erschließen. Als wesentlich gelten den Befürwortern des altsprachlichen Unterrichts außerdem ein durch die Beschäftigung mit den alten Sprachen vertieftes allgemeines Sprachverständnis, die Schulung des logischen Denkens sowie die fachübergreifende Integrationskraft der altsprachlichen Studien für das Selbstverständnis akademischer Berufe. - Außerdem werden im altsprachlichen Unterricht die für einige Hochschulstudien (z. B. Theologie) vorausgesetzten Sprachkenntnisse vermittelt.
 
War der Lateinunterricht im Mittelalter Grundstock der »gelehrten Schulen«, da Latein als Gelehrtensprache Westeuropas erst den Zugang zu Universitätsstudien erschloss, wurde der altsprachliche Unterricht (neben dem »klassischen« Latein Griechisch und seit dem 16. Jahrhundert Hebräisch) im Humanismus zum Kern humanistischer Bildung. Zunehmend lösten in der Folgezeit die Nationalsprachen das Latein als Wissenschafts-, Kanzlei- und somit auch als Unterrichtssprache ab. Der altsprachliche Unterricht erfuhr jedoch eine Neubegründung durch die Neuhumanisten (W. von Humboldt, F. Schlegel, F. A. Wolf u. a.); vorrangig vor einer formalen Sprachbeherrschung wurde die bildende und humanisierende Wirkung des Gedankenguts der antiken Schriften zum Leitgedanken der höheren Schulbildung, der in der Gestalt des humanistischen Gymnasiums bis um 1900 uneingeschränkte Gültigkeit besaß. Mit der in der neueren Bildungsdiskussion immer stärker geübten Kritik am Konzept der humanistischen Bildung ist auch der altsprachliche Unterricht in diesem Anliegen infrage gestellt.
 
 
A. U., bearb. v. H. Heusinger (1967);
 M. Fuhrmann: Alte Sprachen in der Krise? (1976);
 R. Nickel: Die alten Sprachen in der Schule (21978);
 R. Nickel: Einf. in die Didaktik des a. U. (1982).

Universal-Lexikon. 2012.

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